Bei der Trainingsplanung kommt eine Kombination von Variablen ins Spiel. Die Sportart selbst, Häufigkeit, Dauer und Intensität des Trainings sind wichtige Überlegungen. Das alles wird schnell komplex, besonders wenn zum ersten Mal einen Trainingsblock geplant wird.
Die drei wichtigsten zu berücksichtigenden Faktoren sind Häufigkeit, Dauer und Intensität. Häufigkeit und Dauer sind relativ klar zu bestimmen, aber die Intensität kann schon etwas knifflig sein. Sie kann mit physiologischen Werten wie der maximalen Herzfrequenz oder dem VO2max bestimmt werden, oder über bestimmte Leistungsmarker, bei denen der Körper auf bestimmte Weise reagieren muss, wie die funktionelle Schwellenleistung oder die Laktatschwelle.
Eine weitere Möglichkeit, die Intensität zu messen, ist die Verwendung einer Skala namens wahrgenommene Anstrengung (engl ‘perceived effort’ = PE). Hier liegt das Augenmerk auf der individuell wahrgenommenen Beanspruchung. Das Verstehen und Verwenden des PE liefert wichtige Erkenntnisse, die dabei helfen, zukünftige Trainingseinheiten zu optimieren und das gesamte Training zu steuern.
Der Wert wahrgenommener Anstrengung
Als Trainer lege ich großen Wert auf die Integration des RPE in meine wöchentlichen Trainingspläne. Jede Einheit oder jedes Intervall in diesen Plänen wird von einer erwarteten wahrgenommene Anstrengungsrate begleitet. Dieser Ansatz fördert eine proaktive Einbindung meiner Athleten und ermutigt sie, diesen Wert nach dem Training zu dokumentieren und zu kommentieren. Indem ich aktiv nach diesem Feedback frage, erhalte ich wertvolle Einblicke in die Trainingserfahrungen meiner Athleten und in ihre Übereinstimmung mit den erwarteten RPEs.
Wenn es zu Abweichungen zwischen der prognostizierten und der tatsächlichen wahrgenommenen Anstrengung kommt, trete ich in den Austausch und wir starten eine gemeinsame Analyse. Dabei konzentrieren wir uns auf die Ermittlung der Grundursachen für die Unterschiede. Liegt das Problem an der Trainingsintensität, der Erholung oder vielleicht an externen Faktoren, die die wahrgenommene Anstrengung beeinflussen? Durch diese grundlegende Betrachtung können fundierte Anpassungen am Trainingsprogramm vorgenommen werden und der Zuschnitt auf die individuellen Anforderungen wird langfristig sichergestellt.
Die wahrgenommene Anstrengung ist ein effektiver Ansatz für Trainer und Sportler, die nicht ständig auf ihre Geräte starren möchten. Während des Trainings den Blick ständig auf das Display eines Geräts zu richten, ist weder realistisch noch sicher. Das Gehirn funktioniert per se bereits als leistungsstarker Prozessor, der eine Reihe von Eingangssignalen verstehen und interpretieren kann.
Der jüngste Erfolg im Zeitfahren von Jonas Vingegaard, der die Tour de France 2023 gewann, ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie ein professioneller Tour-Athlet seine Trainingskompetenz in eine außergewöhnliche Leistung verwandelt. Er navigierte geschickt, ohne sich zu sehr auf die numerischen Daten seines Fahrradcomputers zu verlassen, sondern kanalisierte seine Anstrengung stattdessen durch seine wahrgenommene Anstrengung (RPE).
Der Unterschied zwischen der Borg RPE-Skala und der Borg CR10-Skala
Die beiden am häufigsten verwendeten PE-Skalen wurden bereits vor einigen Jahrzehnten von Gunnar Borg entwickelt. Eine davon ist die Borg RPE-Skala mit Wertungen von 6 bis 20 und die andere ist die Borg CR10-Skala mit Wertungen von 0 bis 10.
Borg RPE-Skala
Die Borg RPE-Skala wurde 1962 vom schwedischen Forscher Gunnar Borg entwickelt, um Sportlern eine Möglichkeit zu bieten, die Intensität während ihres Trainings zu messen. Zu dieser Zeit waren Echtzeit Herzfrequenz Messung oder Smartwatches noch nicht weit verbreitet, daher basierte die Skala auf einer hohen linearen Korrelation zwischen den Bewertungen der wahrgenommenen Anstrengung und der Herzfrequenz (r = 0,85), wobei die Aktivitätsintensität von leicht bis schwer variierte. Diese Skala reichte von 6 bis 20, wobei 6 überhaupt keine Anstrengung und 20 maximale Anstrengung bedeutete.
6 ohne Anstrengung | weder Muskelermüdung noch Atemnot oder Atembeschwerden |
7 sehr sehr leicht | minimale Anstrengung |
9 sehr leicht | die Anstrengung von gehen, ganz einfach sich zu unterhalten |
11 leicht | leichte Übungen in Ihrem eigenen Tempo |
12 leichte Anstrengung | |
13 etwas anstrengend | etwas anstrengend und der Beginn von Atemlosigkeit. Es wird schwer zu sprechen. |
15 anstrengend | Schwer und anstrengend. Die Obergrenze für Fitnesstraining, wie schnelles Laufen oder Gehen. |
17 sehr schwer | |
19 sehr sehr schwer | gefühlt die maximal ansteuerbare Belastung |
20 extrem schwer | Belastung bis zum Abbruch |
Borg entwickelte die RPE-Skala, um die Herzfrequenz bei Aktivität auf dem Fahrradergometer bei gesunden Männern mittleren Alters zu verfolgen, wobei die Herzfrequenz etwa zehnmal so hoch war wie der RPE-Wert. Später bemerkte Borg (1974), dass die Korrelation bei anderen Probandengruppen, wie etwa älteren Menschen und Patienten in der Rehabilitation, nicht so hoch war. Dies machte den Weg frei für die CR10-Skala.
Borg CR10-Skala
Die zweite RPE-Skala ist die Borg CR10-Skala (Bild 3), wobei CR für Kategorieverhältnis steht. Sie berücksichtigt andere Variablen (z. B. Schmerzwahrnehmung oder Blutlaktat), die positiv beschleunigenden Potenzfunktionen (Bild 4) mit Exponenten von etwa 1,6-2 folgen, wie Borg in einem Artikel von 1985 erklärt. 1998 stellte Borg fest, dass die wahrgenommene Anstrengung mit der Kraft zunimmt, aber auch andere physiologische Variablen (z. B. Empfindungen der arbeitenden Muskeln, Gelenke, Haut und des Herz-Kreislauf- und Atmungssystems) die wahrgenommene Anstrengung beeinflussen. Daher war ein überzeugender Vorhersagewert der wahrgenommenen Anstrengung anhand der erhöhten Herzfrequenz und der Blutlaktatfunktion verfügbar.
0 gar keine Belastung | |
0.5 extrem schwache Belastung | gerade wahrnehmbar |
1 sehr schwache Belastung | |
2 schwache Belastung | leicht |
3 mittlere Belastung | |
5 starke Belastung | schwer |
10 extrem starke Belastung | ‘Maximal’ |
o Absolut maximale Belastung | höchst möglich |
Verwendung von RPE-Skalen im Training
Sowohl die RPE- als auch die CR10-Skala können Trainingsprogramme leiten und helfen, die wahrgenommenen Anstrengung mit Messwerten wie Leistung, Tempo oder Herzfrequenzzonen zu korrelieren (siehe Tabelle 1). Es ist wichtig zu erkennen, dass die wahrgenommene Anstrengung, die mit einem gleichwertigen Anstrengungsniveau verbunden ist, aufgrund vieler Faktoren variieren kann, wie z. B. Ihrem Fitness- und Erschöpfungsgrad, den Umgebungsbedingungen (wie kalt oder heiß, trocken oder feucht), Verletzungen/Krankheiten und Ihrem Erholungszustand.
Es gilt zu bedenken, dass PE-Werte bei Trainingseinheiten oder Intervallen, die ähnliche relative Anstrengungsniveaus erfordern (z. B. Prozentsatz der FTP), von denen anderer abweichen können. Diese Abweichung läuft auf die Wahrnehmung hinaus und unterstreicht die subjektive Natur der Erfahrung.
Vorgeschlagene CR10-Werte für Ausdauertrainingszonen:
Zone | CR10-Wertung |
Erholung | 1-2 |
Ausdauer | 2-3 |
Tempo / Sweet Spot | 3-4 |
Schwelle | 5-6 |
VO2 max | 6-7 |
Anaerobe Kapazität | 7-8 |
Neuromuskuläre Kraft | 9-10 |
TrainingPeaks Workout Card PE Slider und Beispiele
Die Web- und Mobil-Apps von TrainingPeaks bieten einen PE-Schieberegler, mit dem Trainingsergebnisse verfolgt werden können. Wir empfehlen es, sich zur Gewohnheit zu machen, diesen unmittelbar nach Abschluss der Trainingseinheiten zu dokumentieren. Mit Aufbau und Dokumentation des PE-Verlaufs entsteht eine robuste Datenbank, mit der Änderungen bei Leistung und Erholung schnell erkannt werden können.
Trainingseinheiten, bei denen es Unterschiede zwischen dem Plan und dem tatsächlich Erreichten gibt, sind besonders wertvoll. Mit diesen Trainingseinheiten wird der Trainingsplan verfeinert, Leistungsbestimmungen neu programmiert und der Austausch zwischen Trainer und Athlet stimuliert.
Ein häufiger Trainingsfehler, der oft zu Leistungsplateaus führt, ist die Fehleinschätzung der Trainingszonen, entweder durch Unter- oder Überschätzung. Dieser häufige Fehltritt kann den Fortschritt erheblich behindern.
Es gibt jedoch ein Mittel, das positive Ergebnisse bringen kann: PE-Ergebnisse. Wenn sie konsequent verfolgt werden, sind PE-Ergebnisse ein hervorragendes Instrument zur Überwachung von Leistungsschwankungen und des allgemeinen Gesundheitszustands, insbesondere beim Vergleich verschiedener Leistungs-Testrunden.
Referenzen
Borg, G. (1998). Borg’s perceived exertion and pain scales. Retrieved from https://psycnet.apa.org/record/1998-07179-000
Borg, G., et al. (1985). The increase of perceived exertion, aches and pain in the legs, heart rate and blood lactate during exercise on a bicycle ergometer. Retrieved from https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/4065121/
Borg, G. & Dahlstrom, H. (1962, August) The Reliability and Validity of a Physical Work Test. Retrieved from https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/13871282/
Borg, G. & Noble, B. (1974, January). Perceived exertion. Retrieved from https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/4466663/