Pyramidentraining

Polarisiertes vs. pyramidales Training – was ist besser für Sportler?

BY Phil White

Zahlreiche Studien belegen die Erfolge von Periodisierungsansätze beim Training, aber welcher ist der Überlegene? Eine ehrliche Betrachtung zeigt, dass es vom Sportler und/oder den Zielen des Trainers abhängen könnte.

Es besteht kein Zweifel, dass ein periodisierter Ansatz beim Ausdauertraining konsistente Ergebnisse liefert. Aber gibt es bestimmte Arten der Periodisierung, die effektiver sind als andere? In den letzten Jahren ist die Debatte entfacht, ob polarisiertes oder pyramidales Training für Sportler die besseren Ergebnisse produziert. Sehen wir uns beide Methoden an, um abzuwägen, welche bei Sportlern Anwendung finden sollte. .

Zunächst ist es wichtig, die Rahmenbedingungen festzulegen. Man kann davon ausgehen, dass alle Sportler eine begrenzte Zeitspanne zum Trainieren haben. Unabhängig sowohl davon ob Profi oder Amateur als auch davon ob Laufen, Radfahren, Schwimmen oder Cross-Training. Diese Limitierung ist für vielbeschäftigte Berufstätige und Eltern noch akuter, daher ist es wichtig, diese Zeit effektiv zu nutzen. Die Trainingsintensitätsverteilung (TID) versucht zu quantifizieren, wie viel Zeit mit bestimmten Intensitäten oder in bestimmten Zonen verbracht werden.

In der Regel werden  bis zu fünf verschiedene Intensitätszonen  unterteilt, aber der Einfachheit halber verwenden wir ein Drei-Zonen-Modell. Zone eins ist die Basis für alle Ausdauersportarten. Es ist die niedrigste Intensität und wird manchmal als LSD bezeichnet – nein, nicht die Droge, sondern lange, langsame Einheiten. Die Herzfrequenz sollte bei oder unter 70 bis 75 % des Maximums bleiben. Zone zwei ist mittlere Intensität, oft über mittlere Distanzen mit einer Herzfrequenz von 75 bis 85 % ausgeführt. Und Zone drei beinhaltet  intensiveres Training über kürzere Distanzen, wie Intervalltraining oder Bergsprints – ausgeführt mit 85 % oder mehr.

Alle drei Zonen können anhand subjektiver Intensität gemessen werden, beispielsweise anhand der wahrgenommenen Anstrengungsrate (RPE), die Athleten jeder geplanten Trainingseinheit oder empfohlenen Geschwindigkeit zuweisen. Diese Funktion kann auch objektiv mit z.B. einem Herzfrequenzmesser validiert werden. Sehen wir uns nun an, wie TID, Zonen und andere Faktoren auf pyramidale und polarisierte Trainingsmodelle angewendet werden.

Aufbau von unten nach oben mit Pyramidentraining

Wie der Name schon sagt, kann man sich das pyramidale Training wie ein Dreieck mit drei verschiedenen Schichten vorstellen. 

  • Ganz unten befindet sich die Grundschicht, die wir normalerweise als aerobe Basis bezeichnen würden – jede Menge angesammelte Kilometer mit LSD-Training in Zone eins. Hier werden Ihre Athleten die meiste Zeit verbringen.
  • In der Mitte dieser Pyramide wird in Zone zwei ein moderates Trainingspensum absolviert, wobei moderate Intensitäten über mittlere Distanzen verteilt werden. Dies wird oft als Schwellentraining bezeichnet, wobei die Athleten ihre Herzfrequenz knapp unter ihrer aeroben Schwelle halten (etwa 60 bis 70 % der maximalen Herzfrequenz). 
  • In der Spitze der Pyramide wird in Zone drei am wenigsten Zeit für kurze, hochintensive Anstrengungen aufgewendet.

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Ein Vorteile des pyramidalen Trainings ist die Einfachheit und logischer Fortschritt. Es ist für Trainer und Trainierte leicht zu verstehen und umzusetzen: Viel Zeit fließt in lange und langsame Einheiten, einige Zeit in mäßiges Tempo und etwas Zeit in harte und schnelle Session. Es gibt wenig Unklarheit und das TID ist ein linearer Fortschritt durch die drei Zonen.

Dies vereinfacht den Aufbau des Programms  und fördert die Einhaltung, nicht zuletzt, weil die meisten Athleten den traditionellen Ansatz des Ausdauertrainings, dem das pyramidale Training folgt, verinnerlicht haben. Auf der anderen Seite sagen Kritiker, dass es ein größeres Gesamtengagement zum Aufbau dieser aeroben Basis erfordert und dass das pyramidale Training die Entwicklung der Geschwindigkeit und Kraft vernachlässigt, die für kürzere Rennen, das Einholen von Ausreißern und ein schnelles Finish im Wettkampf erforderlich sind.

Es gibt auch Hinweise darauf, dass zu viele „Junk Miles“ weder die aeroben noch die anaeroben Kapazitäten entwickeln.

Pyramidal Endurance Training Vizualization Trainingpeaks
Pyramidales Training – *Ähnlich wie polarisiertes Training, aber weniger hochintensive Trainingstage

Mit polarisiertem Training die Mitte loswerden

Wie die Pyramidenmethode kann auch das polarisierte Training – populär gemacht durch die Arbeit des Sportphysiologen Dr. Stephen Seiler – durch die Linse der drei Haupttrainingszonen und einer TID-Perspektive betrachtet werden. Die größte Ähnlichkeit zwischen den beiden Ansätzen besteht darin, dass beide betonen, die meiste Zeit in Zone eins zu verbringen. So weit, so gut. Aber in den nächsten beiden Zonen gibt es eine fundamentale Verschiebung. .

Wenn ein polarisierter Trainingsaufbau Anwendung findet , fließt  wenig Zeit in mittelintensive Trainingseinheiten in Zone 2 und mäßig viel in hochintensive Trainingseinheiten in Zone 3. In seinem Bestseller „80/20 Running: Run Stronger and Race Faster By Training Slower“ fasst Matt Fitzgerald dies als eine 80/20-TID-Aufteilung zwischen den oberen und unteren Zonen zusammen, die Läufern hilft, „aus dem Trott der mittleren Intensität auszubrechen“.[i] Zu beachten ist, dass sein Modell fünf Zonen mit unterschiedlichen Namen und einem differenzierteren Ansatz als das Drei-Zonen-Modell hat.[ii]

Wie mein Kollege Philip Mosley von TrainingPeaks schrieb, legt man „eine beeindruckende aerobe Grundlage“, wenn man die meiste Zeit vergleichsweise langsam trainiert. Wenn man 20 % des Trainings mit höherer Intensität verbringt, „steigert man sein Laktatsystem mit etwas Input aus dem unmittelbarsten Energiesystem, dem ATP-PC-System (Adenosintriphosphat- und Phosphokreatinsystem), das Energie für 10-15 Sekunden lange Höchstleistungen wie einen Zielsprint liefert.“[iii]

Eines der Hauptargumente der Befürworter des polarisierten Trainings besteht darin, dass es alles bietet, was  der Rennsport fordert, ohne die Kilometer im mittleren Intensitätsbereich, die weder schwer noch leicht genug sind, um die Energiesysteme zu entwickeln, die für anhaltende Anstrengungen oder schnelle Geschwindigkeiten verantwortlich sind.

Polarized Endurance Training Vizualization Trainingpeaks
Polarisiertes Training – *Sehr hohe Intensität mit vielen leichten Tagen

Was sagen die Studien?

Das pyramidale Training kann auf umfangreiche Studien zurückgreifen, da es schon seit langem ein Standardansatz und Gegenstand jahrelanger Untersuchungen ist. In letzter Zeit haben mehr Forscher die Wirksamkeit der polarisierten Methode untersucht und einige haben sie mit anderen Programmierarten, einschließlich der pyramidalen Methode, verglichen.

Es ist erwähnenswert, dass Menschen, die bei Null anfangen oder noch nicht so lange trainieren, auf praktisch jede Art von Trainingsplan positiv reagieren, während bei fortgeschritteneren Sportlern die Wahrscheinlichkeit großer Anpassungen oder Erfolge umso geringer ist. Aus diesem Grund sind einige Studien mit Vorsicht zu genießen.

Wenn Sie versuchen zu entscheiden, ob ein polarisierter oder pyramidaler Plan besser geeignet ist, kann es frustrierend sein, festzustellen, dass eine Studie der nächsten widerspricht. Sehen wir uns zunächst Studien an, die für polarisiertes Training sprechen. Sportwissenschaftler der Universität Lille in Frankreich kamen zu dem Schluss, dass erstklassige Marathonläufer mehr Zeit damit verbringen, bei höheren Geschwindigkeiten zu trainieren und mehr Kilometer zu sammeln, was für einen polarisierten Ansatz spricht.[iv]

In einem Artikel der Zeitschrift Frontiers in Physiology wurden Intervalltraining mit hohem Volumen und hoher Intensität, Schwellentraining und polarisiertes Training verglichen. Dabei wurde festgestellt, dass letzteres „bei gut trainierten Ausdauersportlern zu den größten Verbesserungen bei den meisten Schlüsselvariablen der Ausdauerleistung führte.“[v] Dazu gehörten eine Steigerung der VO2max, der Zeit bis zur Erschöpfung sowie der Spitzengeschwindigkeit und -leistung.

Diese Ergebnisse untermauern die Behauptung der Befürworter der Polarisation, dass die Methode gleichzeitig die Grundausdauer und die Höchstgeschwindigkeit steigert. Es hat sich auch gezeigt, dass polarisiertes Training Sportlern mit weniger Trainingserfahrung zugutekommt. Seiler und mehrere Kollegen verglichen eine 10 wöchige polarisierte Intervention mit drei anderen Trainingsmethoden und schrieben danach: „Polarisiertes Training kann bei Freizeitläufern größere Trainingseffekte hervorrufen als Training zwischen den Schwellen.“[vi]

Es gibt jedoch auch Studien, die kaum einen Unterschied zwischen polarisierter und pyramidaler Programmierung festgestellt haben. Eine Gruppe österreichischer und deutscher Forscher verglich zwei Gruppen von Eliteruderern und stellte fest, dass keine der beiden Gruppen der anderen in Bezug auf die Leistungsergebnisse überlegen war.[vii] Sie spekulierten, dass dies daran liegen könnte, dass alle Athleten in Zone eins die gleiche Arbeit leisteten. Auch ihr Gesamtvolumen war ungefähr gleich, was einen zweiten Grund für ähnliche Ergebnisse nahelegt.

Eine weitere Studie, die an der Universität Alicante in Spanien durchgeführt wurde, ergab, dass Triathleten, die sich auf einen Halb-Ironman vorbereiteten, im Durchschnitt nur zwei Sekunden voneinander entfernt ins Ziel kamen, nachdem sie pyramidale und polarisierte Programme absolviert hatten. Die Autoren argumentieren, dass „Trainer das Training in Zone 2 nicht ausschließen sollten, da die Trainingszeit in dieser Zone positiv mit der Leistung im Halb-Ironman Wettbewerb korrelierte.“[viii] Sie erwähnten auch, dass das Training in Zone 2 die Leistung im Laufabschnitt des Rennens verbesserte.

Pyramidenförmig, polarisiert oder beides?

Ich wette, dass Sie sich nach der Lektüre dieser scheinbar widersprüchlichen Forschungsergebnisse letztlich die  Frage stellen: „Ist pyramidales oder polarisiertes Training besser für meine Klienten?“ So nervig es auch sein mag, ich zitiere meinen „Unplugged“-Co-Autor Dr. Andy Galpin, einen Muskelphysiologen an der Cal State Fullerton: „Es kommt darauf an.“

Wie einige Untersuchungen zeigen, kann polarisiertes Training für Athleten viel Zeitaufwand bedeuten. Es scheint die Anpassung bei weniger erfahrenen Individuen zu fördern und ist daher möglicherweise eher für Freizeitsportler geeignet. Diese haben nur wenige Stunden pro Woche Zeit, um dem Training zu widmen. Fortgeschrittenere Athleten mit einer soliden aeroben Basis könnten ebenfalls davon profitieren.

Andererseits wird das pyramidale Training schon so lange genutzt, weil es effektiv ist. Carson McQuarrie von Thomas Endurance Coaching aus Tasmanien schrieb: „Studien haben gezeigt, dass praktisch alle gut trainierten und erstklassigen Ausdauersportler in verschiedenen Sportarten einem Pyramidenmodell des TID folgen, wenn es um die Messung der Zeit geht.“[ix] Für Ihre wettbewerbsorientierten  Kunden wird sich  ein pyramidaler Ansatz also wahrscheinlich als erfolgreich erweisen.”

Dies muss keine Entweder-oder-Entscheidung sein. Wie der erfahrene Krafttrainer Dan John schrieb: „Ich glaube, ungefähr sechs Wochen lang funktioniert alles.“[x] Mit anderen Worten: Sie können Ihre Klienten jederzeit vom pyramidalen zum polarisierten Training, wieder zurück und dann zu einem anderen Ansatz überführen. Lassen Sie sie sich für die Dauer eines ganzen Trainingsblocks anpassen und erhöhen Sie dann den Reiz, um Stagnation zu vermeiden und ihnen zu helfen, zu verschiedenen Jahreszeiten ein breites Spektrum an körperlichen Qualitäten und all ihre Energiesysteme zu entwickeln. Messen, experimentieren und wiederholen.

Dies wird durch eine im „Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports“ veröffentlichte Studie untermauert, in der gut trainierte Läufer verglichen wurden, die 16 Wochen polarisiertes oder pyramidales Training oder zwei achtwöchige Blöcke absolvierten, die mit dem einen begannen und mit dem anderen endeten. Nach Überprüfung der Ergebnisse der vier Gruppen kamen die Autoren zu dem Schluss: „Jede Intervention verbesserte effektiv die Ausdauerleistung  von gut trainierten Läufern. Der Wechsel von der pyramidalen zur polarisierten Verteilung maximierte jedoch die Leistungsverbesserungen.“[xi]

Sie können beide Ansätze auch situationsbedingt einsetzen. Wenn sich ein Kunde also beschwert, dass er bei einem Rennen das Podium verpasst hat, weil er beim Sprint zum Ziel abgehängt wurde, wäre ggf. ein polarisierter Ansatz mit etwas mehr Zeit in Zone drei von Vorteil. Oder wenn die Person bei längeren Wettkämpfen nicht ins Ziel kommt, dann mangelt es vielleicht an der Grundausdauer und der moderaten Intensitätsleistung- in diesem Fall gilt es zur Zone eins, zwei und drei des Pyramidentrainings zurückzukehren.

Es ist zu einfach zu sagen, dieses oder jenes Trainingsprogramm sei besser oder schlechter. Betrachten Sie die Situation, sehen Sie, wo ein Individuum steht, herkommt und was für Ziele verfolgt werden. Basierend darauf finden pyramidale und polarisierte Ansätze als zwei Coaching-Werkzeuge Anwendung. 

Referenzen

[i] Matt Fitzgerald, 80/20 Running: Run Stronger and Race Faster By Training Slower, (New York: Berkley Books, 2014), 19.

[ii] Matt Fitzgerald, “Understanding Your 80/20 Endurance Run Plan,” 80/20 Endurance, available online at https://www.8020endurance.com/understanding-your-8020-run-plan.

[iii] Philip Mosley, “Does Polarized Training Really Work?” TrainingPeaks, available online at https://www.trainingpeaks.com/blog/does-polarized-training-really-work.

[iv] VL Billat et al, “Physical and Training Characteristics of Top-Class Marathon Runners,” Medicine and Science in Sports and Exercise, December 2001, available online at https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/11740304.

[v] Thomas Stöggl and Billy Sperlich, “Polarized Training has Greater Impact on Key Endurance Variables than Threshold, High Intensity, or High Volume Training,” Frontiers in Physiology, 2014, available online at https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3912323.

[vi] Iker Muñoz et al, “Does Polarized Training Improve Performance in Recreational Runners?” International Journal of Sports Physiology and Performance, March 2014, available online at https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23752040.

[vii] Gunnar Treff et al, “Eleven-Week Preparation Involving Polarized Intensity Distribution Is Not Superior to Pyramidal Distribution in National Elite Rowers,” Frontiers in Physiology, August 2017, available online at https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28824440.

[viii] SS Perez et al, “Polarized and Pyramidal Training Intensity Distribution: Relationship with a Half-Ironman Distance Triathlon Competition,” December 2019, Journal of Sports Science & Medicine, December 2019, available online at https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6873141.

[ix] Carson McQuarrie, “Periodized Training Models: Pyramidal? Polarized? Both? Neither?” Thomas Endurance Coaching, available online at https://www.thomasendurancecoaching.com/pyramidal-polarized-both-or-neither/

[x] Dan John, “My Fat Loss Clients and ‘Everything Works,’” Danjohn.net, September 2011, available online at https://danjohn.net/2011/09/my-fat-loss-clients-and-everything-works.

[xi] Luca Filipas et al, “Effects of 16 weeks of Pyramidal and Polarized Training Intensity Distributions in Well-Trained Endurance Runners,” Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports, available online at https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34792817.

Read the original English version here.

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About Phil White
Phil White is an Emmy-nominated writer and the co-author of The 17 Hour Fast with Dr. Frank Merritt, Waterman 2.0 with Kelly Starrettand Unplugged with Andy Galpin and Brian Mackenzie. Learn more at www.philwhitebooks.com and follow Phil on Instagram @philwhitebooks.

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